Das Eisberg-Phänomen: So machen Sie "unsichtbare" Aufwände sichtbar

Kathrin Jungwirth, Dienstag, 29. Oktober 2019 | Lesedauer: 5 min.

Ein Projekt dauert länger und kostet mehr als erwartet – keine Seltenheit. Häufig ist das aber selbst dann der Fall, wenn keines der potenziellen Projektrisiken eingetreten ist und ohne dass Flaschenhälse den Projekterfolg gefährdet hätten. Wie kann das sein?

Jedes Projekt verfügt über einen Arbeitsanteil an klar ersichtlichen Zeitaufwänden, der in zuvor definierte Vorgänge und Arbeitspakete fließt. Meist kommt dann aber noch ein Anteil an "unsichtbaren" Zeitaufwänden hinzu, bei denen selbst Projektleiter nicht genau sagen können, auf welche Aufgaben sich diese Zeit verteilt hat. Dieses "Eisberg-Phänomen“ stellt in vielen Projekten ein großes Problem dar, gerade weil viele Verantwortliche diese versteckten Zeitaufwände weder einkalkulieren noch wissen, welchen Anteil am Gesamtaufwand sie ausmachen.

Schätzungen wären an dieser Stelle unseriös, weil diese Aufwände von Branche zu Branche und von Projekt zu Projekt höchst unterschiedlich ausfallen können. Um bei der Analogie des Eisbergs zu bleiben – der Anteil unter Wasser ist die große Unbekannte.

Zeiterfassung ist besser als ihr Ruf

Es muss sie also irgendwo im Projekt geben, diese versteckten Zeitaufwände, mit denen zu Projektbeginn niemand gerechnet hat und die man spontan keiner konkreten Projektaufgabe zuordnen kann. Sichtbar machen kann man sie nur, wenn alle Mitarbeiter ein Zeiterfassungssystem nutzen, in dem sie sämtliche Zeitaufwände, die in ein Projekt fließen, entsprechend dokumentieren und verbuchen.

Der Impuls zur Einführung eines Zeiterfassungstools geht in der Regel von den Führungskräften bzw. Projektleitern aus – häufig dann, wenn wichtige Projekte nicht rechtzeitig fertig werden oder Kosten anfallen, mit denen vorher keiner gerechnet hat.

In großen Unternehmen wird diese Anschaffung leicht zum Politikum: Schnell argwöhnen Mitarbeiter und der Betriebsrat, dass dies eine Überwachungsmaßnahme sein könnte, die nur dazu dient, Mitarbeiter anhand von Kennzahlen zu beurteilen. Warum Zeiterfassung aber sehr viel besser ist als ihr Ruf, sollen die folgenden drei Punkte zeigen.

Zeiterfassung hilft, Projekte rentabel zu machen

Nicht selten wird das, was man gemeinhin als "Overhead" oder "Handlingkosten" bezeichnet, in Projekten völlig unterschätzt. Mitarbeiter verbringen viel mehr Zeit in Abstimmungstelefonaten, mit E-Mail-Verkehr und Feedback-Schleifen mit dem Kunden, als man zu Projektbeginn annahm. Doch häufig tauchen diese Zeitaufwände nirgendwo auf. Die Teammitglieder fühlen sich gestresst, weil sie für ihre Projektaufgaben länger brauchen als veranschlagt und sehen sich unter Rechtfertigungsdruck.

Auftragnehmer in Kundenprojekten haben also meist zwei Optionen: Sie bleiben selbst auf diesen Kosten sitzen und das Projekt ist mit einem Schlag deutlich weniger. Alternativ können sie vom Kunden eine Handlingpauschale verlangen. Die trifft erfahrungsgemäß meist auf wenig Gegenliebe – die meisten Kunden empfinden sie subjektiv als viel zu hoch.

Hier kommen Zeiterfassungssysteme ins Spiel. Mit ihrer Hilfe können Zeitaufwände nicht nur den einzelnen Teammitgliedern und Projekten zugeordnet werden, sondern sogar einzelnen Aufgaben oder Vorgängen im Projekt. Wenn Mitarbeiter sie akribisch nutzen, werden plötzlich die Arbeitszeiten für jedes Telefonat und jede E-Mail sichtbar.

Das mag zunächst nach Erbsenzählerei klingen, aber auch bei diesen Vorgängen handelt es sich um Arbeit im und am Projekt, die sonst gerne unter den Tisch fällt. Zum anderen kann man Kunden transparent und glaubhaft aufzeigen, wie die Handlingkosten zustande kommen, und welche Kosten nachträgliche Änderungswünsche tatsächlich verursachen.

Zeiterfassung hilft, die Gruppendynamik im Projektteam positiv zu beeinflussen

Die meisten Teammitglieder sind motivierter, wenn sie wissen, dass ihr Beitrag am Arbeitsergebnis der Gruppe für die Führungskraft ersichtlich ist. Ist dies nicht der Fall, kann es also passieren, dass eigentlich leistungsstarke Teammitglieder ihre Leistung zurückschrauben. Gerade bei einfacheren Aufgaben, wie ungeliebten Routinetätigkeiten (dokumentieren, Berichte zusammenstellen etc.), tritt dieses Phänomen auf.

Ein Zeiterfassungssystem macht auch diese Beiträge zum Projekterfolg sichtbar und verhindert, dass die High Performer im Team die Lust an der Arbeit verlieren, weil ein Teil ihrer Leistung ohnehin unsichtbar bleibt und somit nicht honoriert wird. Wichtig ist, dass die Zeiterfassung quasi nebenher vonstattengeht – d.h. mit Hilfe entsprechender Software – ohne, dass diese den Teammitgliedern zusätzlichen Arbeitsaufwand beschert.

Zeiterfassung hilft, aus Projekten zu lernen

Fehler bei Schätzungen lassen sich in Projekten kaum vermeiden, man sollte nur darauf achten, dass man nicht in jedem Projekt dieselben Fehler wiederholt. Wenn man aus vergangenen Projekten weiß, wie viel Zusatzaufwand in bestimmte Aufgaben fließt, kann man dies beim Planen künftiger Projekte berücksichtigen und dementsprechend die Ressourcen einteilen.

Wichtig ist dabei vor allem die Granularität der Analyse: Nur wenn man genau weiß, welche Aufgaben potenzielle Fehlerquellen bei der Kosten- und Zeitplanung sind, kann man konkrete Vorkehrungen treffen. Projektplaner können so auch administrative Kosten viel präziser beziffern und kalkulieren, wie viel Zusatzaufwand jede ungeplante Feedbackschleife bedeutet. Das Resultat sind sehr viel verlässlichere Zeit- und Budgetpläne.

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Ursprünglich erschienen im projektmagazin Blog am 02.06.2016: Das Eisberg-Phänomen in Projekten

Autor: Dr. Andreas Tremel

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