Diagnose Mikromanagement? So schwimmen Sie sich frei

Kathrin Jungwirth, Dienstag, 15. Oktober 2019 | Lesedauer: unbekannt

Viele Projektleiter und Führungskräfte fühlen sich, als würden sie vom Tagesgeschäft aufgefressen. Bei einigen Menschen in verantwortungsvollen Positionen ist das Problem aber (zumindest zum Teil) hausgemacht. Die Diagnose: Mikromanagement.

Sind Sie ein Mikromanager?

Sind Sie ein Mikromanager? Wenn viele der folgenden Aussagen auf Sie zutreffen, ist das wahrscheinlich:

  • Der Großteil Ihrer Arbeitszeit fließt in das operative Tagesgeschäft.
  • Sie wurden vom Fachexperten zur Führungskraft befördert, haben aber im Unternehmen nach wie vor die größte Fachkenntnis auf Ihrem Gebiet.
  • Sie glauben, dass sobald Sie einmal nicht genauer hinsehen, alles aus dem Ruder läuft.
  • Wenn Sie nicht in kurzer Taktung Statusabfragen zu einem Projekt machen können, werden Sie unruhig.
  • Häufig sind Sie gezwungen, einige Hierarchieebenen zu überspringen, um Probleme in Ordnung zu bringen.
  • Ihren Mitarbeitern geben Sie nicht nur Ziele vor, sondern auch den Weg zur Zielerreichung.

Mikromanager halten sich in der Regel zu viel an Kleinigkeiten auf. Ihr Arbeitsalltag ist überfrachtet mit Detailarbeit und folglich leiden sie unter den negativen Folgen von Multitasking. Sie springen von Aufgabe zu Aufgabe und lösen dabei die Probleme ihrer Teammitglieder gleich mit.

Vorsicht vor Trashing!

Bei komplexen Wissensaufgaben führt jedoch bereits eine Unterbrechung von drei Minuten – etwa durch ein Telefonat – dazu, dass man zwei Minuten benötigt, um zu dem Punkt zurückzukehren, an dem man die Aufgabe unterbrochen hat. Summieren sich diese Störungen im Arbeitsalltag, kann der Zeitverlust bis zu 40% der Arbeitszeit ausmachen.

In der IT kennt man das Phänomen als "Thrashing". Dahinter verbirgt sich – vereinfacht gesprochen – der Sachverhalt, dass manches Betriebssystem mehr Zeit dafür aufwendet, von Aufgabe zu Aufgabe zu springen, als für die Ausführung der Aufgaben selbst.

Durch den permanenten Kontextwechsel entstehen also Wechselkosten, die zu erheblichen Effizienzverlusten führen – beim Menschen genau wie bei der Maschine. Eine Studie der Universität Stanford zeigt außerdem, dass das Zappen zwischen verschiedenen Aufgaben die Aufmerksamkeitsspanne verkürzt.

Zudem kommen Führungskräfte so nie in einen Flow-Zustand – also jene als sehr befriedigend wahrgenommene Arbeitssituation, in der sie sich vollkommen konzentriert und selbstvergessen einer komplexen Aufgabenstellung widmen. Durch diese Effekte wird der Mikromanager schnell zum Flaschenhals im Projektteam und fühlt sich gleichzeitig gestresst und überfordert.

Mitarbeiterentwicklung? Fehlanzeige

Doch auch das Team leidet unter diesem Verhalten der Führungskraft. Mitarbeiter können Aufgaben kaum selbst priorisieren, weil sie selten über Unternehmensziele informiert werden, sondern immer nur Kleinstziele vor Augen haben. Auch verantwortungsvolles Handeln wird so kaum gefördert – da der Vorgesetzte ja sämtliche Verantwortung an sich reißt.

Im Gegenzug glaubt der Mikromanager, dass er seinen Mitarbeitern keine sinnvolle Prioritätensetzung und kein eigenverantwortliches Arbeiten zutrauen kann. Das erzeugt Frustration, gerade bei gut ausgebildeten Teammitgliedern, weil ihnen die Führungskraft wenig Vertrauen entgegenbringt und sie nur "an der kurzen Leine" agieren lässt.

Zugleich entwickeln sie keine kreativen Lösungswege, weil ihnen alles bis ins Detail vorgegeben wird. Auch ein Lernen durch Fehler ist nicht möglich, weil Trial and Error nicht vorgesehen ist.

Nicht zu vergessen der Aufwand und die damit verbundenen Kosten, die eine solche Managementkultur verursacht: Mitarbeiter wie Führungskräfte müssen viel Zeit für Rückfragen, Reporting, Kontrollen usw. aufwenden. Doch wie kommt man aus dieser Negativspirale heraus und kann Freiräume für sich selbst und sein Projektteam schaffen?

Maßvolle Kontrolle

Reines Laissez-faire kann hier nicht die Antwort sein. Ein gewisses Maß an Kontrolle tut jedem Projekt gut. Jeder kennt die Fälle von Teammitgliedern, die sich bis zum Projektende einreden, dass sie die verlorene Zeit wieder aufholen können. Da hilft ein Gegencheck aus der Vogelperspektive oftmals weiter:

  • Führungskräfte sollten gemeinsam mit ihrem Team Ziele und Meilensteine festlegen und den Teammitgliedern erklären, wie das Projekt die Unternehmensziele fördert. So können diese Aufgaben leichter selbst priorisieren.
  • Mikromanager sollten sich überlegen, welche und wie häufig sie Informationen zu einem Projekt wirklich benötigen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. So erkennen sie leichter, wenn Rückfragen nur der Beruhigung der eigenen Nerven dienen.
  • Ideal ist die Verwendung einer Software, die auf Knopfdruck Echtzeit-aktuelle Kennzahlen liefert. So kann auf entsprechendes Reporting und den damit verbundenen Aufwand oft verzichtet werden.
  • Verantwortliche sollten mit ihrem Team festlegen, welches Controlling zu welchen Zeitpunkten Sinn macht.
  • Die klassischen Kennzahlen sowie Soll-Ist-Vergleiche reichen meist völlig aus.

Ohne fachgerechtes Controlling geht es in Projekten nicht, doch muss dies keinen negativen Beigeschmack haben. Oft ist auch ein Lob angebracht, wenn alle Zahlen erfreulich sind und das Projekt sich so entwickelt wie geplant.

Mitarbeiter fördern statt kontrollieren

Nicht zuletzt sollten Mikromanager versuchen, den Aufwand, den sie in die Detailarbeit stecken, besser in die Entwicklung und Weiterbildung ihrer Mitarbeiter zu investieren. Das kostet zu Beginn Zeit und Nerven, weil Teammitglieder anfangs Dinge anders und vielleicht sogar schlechter machen als die Führungskraft selbst.

Doch nur dieses Vorgehen bietet die Chance, dass ein Teammitglied lernt, sich zu verbessern und sich langfristig zu einem Experten auf dem jeweiligen Gebiet entwickelt, der in Detailfragen besser Bescheid weiß als sein Vorgesetzter.


Ursprünglich erschienen im projektmagazin Blog am 23.02.2017: Diagnose Mikromanagement

Autor: Dr. Andreas Tremel

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