ERP-Systeme einfach erklärt

Timo Gerhardt, Donnerstag, 06. Oktober 2022 | Lesedauer: 12 min.

Die Abkürzung ERP steht für Enterprise Resource Planning. Entsprechende Software-Anwendungen unterstützen Organisationen bei der Steuerung betrieblicher Prozesse.

Der Ursprung und die Bedeutung von ERP-Systemen

Bereits vor über 100 Jahren wurde der erste sinngemäße Vorgänger von ERP (Enterprise Resource Planning) entwickelt und in der Industrie etabliert. EOQ (Economic Order Quantity) kam noch vollständig ohne Computer aus und sorgte nur mit Stift und Papier für eine verbesserte Zeitplanung in der Produktion.

Über ein halbes Jahrhundert lang war dieses papierbasierte System der Standard. Die spätere Implementierung eines zentralen Großrechners galt als Revolution: MRP (Material Requirements Planning) war geboren.

Ein großer Schritt in Richtung heutiger ERP-Systeme wurde dann mit MRP II (Manufacturing Resource Planning) gemacht. Hier wurden erstmals verschiedene Komponenten der Produktion in Form von Modulen auf einer zentralen Plattform vereint. Somit konnten beispielsweise Module wie Vertragsmanagement, Einkauf oder Zeitplanung zielgerichtet aufeinander abgestimmt werden.

Als sich Computertechnologien in den 90er Jahren mit zunehmender Geschwindigkeit entwickelten und derartige Systeme immer mehr Funktionen erhielten und leichter zu bedienen wurden, war erstmals die Rede von ERP. Was hinter diesem Begriff genau steckt und was Sie für Ihr Unternehmen darüber wissen sollten, erfahren Sie im Folgenden:

Inhalt

Was ist ein ERP-System?

ERP steht für Enterprise Resource Planning und bezeichnet ein System, das in Unternehmen als eine zentrale Steuerungseinheit dient. Im Fokus steht die Verwaltung und Automatisierung von Geschäftsprozessen in den unterschiedlichsten Bereichen. Darunter fallen unter anderem das Personalwesen, die Fertigung, der Vertrieb, die Finanzen oder auch die Lieferkette.

Durch die Integration von abteilungsübergreifenden Daten und Informationen dienen ERP-Systeme als Hilfe für Führungskräfte in der Entscheidungsfindung, in der Erkenntnisgewinnung und in der Prozessoptimierung. Die vernetzte Struktur ermöglicht es, selbst abteilungsübergreifende Arbeitsprozesse konkret abzubilden.

Oftmals wird das ERP-System als zentrales Nervensystem einer Organisation beschrieben. So wie unser Hirn die tagtägliche Funktionalität unserer Gliedmaßen, unseres Stoffwechsels und weiterer Körperfunktionen gewährleistet, so sorgt ein ERP-System in Unternehmen dafür, dass verschiedene Abteilungen handlungsfähig und aufeinander abgestimmt sind. Aus diesem Grund ist eine effektive ERP-Lösung heutzutage für viele Unternehmen unverzichtbar.

Das muss ein ERP-System können

Wie bereits erwähnt, sind ERP-Lösungen und verwandte Systeme schon seit einigen Jahren ein viel genutztes Tool in Unternehmen. Im Laufe der Zeit und vor allem im Rahmen der Digitalisierung haben sich die Funktionen, aber auch die Erwartungen, die an ein solches System gestellt werden, deutlich verändert. Bei der Suche nach einer für Sie geeigneten ERP-Lösung sollten Sie genauestens darauf achten, dass gewisse grundlegende Funktionen von der Software erfüllt werden. Im Folgenden zeigen wir Ihnen, welche klassischen Funktionsbereiche stets abgedeckt werden sollten:

  • Finanzwesen: Die Kernfunktionen umfassen hierbei neben dem Controlling und dem Rechnungswesen die Finanz-, Anlagen-, Kreditoren- und Debitorenbuchhaltung. Weitere Funktionen, die diesen Bereich ergänzen können, sind beispielsweise die Verwaltung von Zahlungen und Mahnungen oder die Erstellung des Jahresabschlusses.
  • Logistik: Hier sollte darauf geachtet werden, dass die Software den Ein- und Verkauf, die Materialwirtschaft, die Lagerverwaltung und schließlich den Vertrieb umfasst. Ergänzende Funktionen wie Transport- und Außenhandelsverwaltung oder eine Wareneingangs- und Warenausgangsbearbeitung können sinnvoll sein.
  • Produktion: In diesem Kontext sind Planungs- und Steuerungsfunktionen unter Berücksichtigung von Kapazitäten von großer Bedeutung. Ebenso essentiell ist die Erfassung der Betriebsdaten. Auch Funktionen zur Verwaltung von Fertigungsaufträgen und zur Materialbedarfsplanung können von großem Nutzen sein.
  • Personalwesen: Die zentralen Funktionen sind hier neben der Rekrutierung und Verwaltung der Mitarbeiter die Karriereplanung und die Abrechnung von Gehalt und Lohn. Ergänzend kann hier eine Entgeltermittlung oder Personalentwicklung Sinn machen.
  • Zusatzfunktionen:  Ein stark zunehmender Anteil von Unternehmenstransaktionen wird mittlerweile online abgewickelt. Ein ERP-System kann durch E-Business Funktionen auch in dieser Angelegenheit Hilfestellung leisten. Auch eine Integration eines CRM-Systems (Customer Relationship Management) ist heutzutage keine Seltenheit mehr. So können im Rahmen der ERP-Lösung bestehende und potentielle Kundenbeziehungen und entsprechende Interaktionen einfach gehandhabt werden. Als Erweiterung der Logistikfunktion kann ein integriertes Supply Chain Management (SCM) betrachtet werden. Dieses geht bei der Betrachtung logistischer Prozesse über die eigenen Unternehmensgrenzen hinaus und berücksichtigt Beteiligte entlang der gesamten Lieferkette.

Dies ist schließlich nur eine Auswahl der wichtigsten klassischen Tools, die gerade im produzierenden Gewerbe von großer Bedeutung sind. Eine Liste an Funktionen, die für Unternehmen einen zusätzlichen Mehrwert bringen können, kann nahezu endlos weitergeführt werden. So ist beispielsweise eine Integration weiterer Marketing- und Vertriebsfunktionen denkbar. Auch eine Schnittstelle zu einem Data Warehouse, inklusive Archivierung und Datenbankverwaltung, ist häufig zielführend. Sogar die Integration vollwertiger Projektmanagement-Anwendungen sind in ERP-Systemen keine Seltenheit mehr.

Mobile und Social ERP

In Zeiten der Digitalisierung und Vernetzung gibt es im Zusammenhang mit ERP zwei Begriffe, die deutlich an Bedeutung gewinnen: Mobile ERP und Social ERP. Worum es sich dabei handelt, erklären wir Ihnen im Folgenden:

Mobile ERP zielt grundsätzlich darauf ab, dass Anbieter ihre Software auf mobilen Endgeräten mittels einer App verfügbar machen. So können Nutzer jederzeit ortsunabhängig auf alle relevanten Informationen zugreifen. So können beispielsweise bei Vertragsabschlüssen Aufträge ohne Verzögerung ausgelöst werden und Lagerbestände können im Gespräch beim Kunden vor Ort abgerufen werden. Jedoch stellen eine eingeschränkte Leistungsfähigkeit mobiler Geräte und Datenschutzbedenken bei der Übertragung von Daten in diesem Kontext oftmals eine Herausforderung dar.

Social ERP betrachtet ERP-Systeme wiederum als Ort des sozialen Austauschs. Sie dienen als Plattform, auf welcher Nutzer relevante Informationen teilen und konsumieren können. Es wird eine Möglichkeit der effizienten Kommunikation und der Vernetzung in Echtzeit geschaffen – auch mit externen Anspruchsgruppen. Zu diesem Zweck sollten ERP-Systeme ähnlich wie soziale Netzwerke aufgebaut sein. Sie sollten einfach, benutzerfreundlich und intuitiv zu bedienen sein. Durch eine mögliche Personalisierung sollten individuelle Bedürfnisse befriedigt werden können. Ein ansprechendes Design kann dies abrunden.

Wie Ihr Unternehmen von einem ERP-System profitieren kann

Jedes Unternehmen ist einzigartig. Unternehmen sind komplexe Organisationen, die sich in der Struktur, in den vorhandenen Ressourcen, in den Zielen und in vielen weiteren Gesichtspunkten stets voneinander unterscheiden. Folglich gibt es keine einheitliche ERP-Lösung, die für ein breites Spektrum an heterogenen Unternehmen geeignet ist. Die erste Voraussetzung dafür, dass ein derartiges System einen Mehrwert bringt, ist, dass sie genau zum Unternehmen passt. Ist diese Voraussetzung erfüllt, können Sie von den folgenden 6 Vorteilen profitieren:

  • Erhöhte Produktivität und Effizienz: Eine ERP-Lösung hilft Ihnen sowohl bei der Rationalisierung als auch bei der Automatisierung von Geschäftsprozessen. Die höhere Effizienz schlägt sich in frei gewordener Zeit nieder, die in jene Geschäftsprozesse fließen kann, um Innovation voranzutreiben.
  • Vermindertes Geschäftsrisiko: Durch die ERP-Implementierung im Unternehmen schaffen Sie Transparenz und erhalten Einblicke in betriebliche Abhängigkeiten und Wechselwirkungen. Somit fällt eine gezielte Steuerung deutlich leichter und unvorhergesehene Ereignisse werden vermieden, beziehungsweise kann rechtzeitig gegengesteuert werden.
  • Simple Infrastruktur: Dadurch, dass Sie verschiedene Tools auf einem zentralen System vereinen, wird die IT-Infrastruktur im Unternehmen deutlich vereinfacht. Eine Vielzahl von Funktionen nutzt die gleiche allumfassende Datenbank, mehrfach gespeicherte Daten werden vermieden.
  • Wertvolle Einblicke: Das ERP-System wird zur einzigen Quelle von unternehmensinternen Daten. Diese sind vernetzt und unverzüglich abrufbar. Somit dienen sie als eine nützliche und aussagekräftige Hilfestellung beim Treffen wichtiger Entscheidungen.
  • Optimiertes Berichtswesen: Durch das ERP-System als zentrale Speichereinheit für alle relevanten Informationen können Reports schnell und mit Echtzeit-Daten erstellt werden. Ausgehend davon können Maßnahmen für eine bessere betriebliche Performance ergriffen werden.
  • Verbesserte Agilität: Durch die Bereitstellung von Daten in Echtzeit können Defizite und Möglichkeiten sofort erkannt werden. Eine entsprechende Reaktion kann unverzüglich erfolgen. Dies kann ein entscheidender Wettbewerbsvorteil in einem dynamischen Unternehmensumfeld sein.

ERP vs. PM: Wo liegen Gemeinsamkeiten und Unterschiede?

Projekte zeichnen sich dadurch aus, dass sie einmalig, neuartig und komplex sind. Außerdem spielen eine konkrete Zielvorgabe und eine zeitliche Befristung eine bedeutende Rolle. Projektmanagement-Software unterstützt Teams dabei, Projekte zu bewältigen.

Auf der anderen Seite gibt es vor allem im produzierenden Gewerbe feststehende Geschäftsprozesse, die fortlaufend in Unternehmen durchgeführt werden und Gegenstand kontinuierlicher Optimierungsmaßnahmen sind. An dieser Stelle setzen ERP-Systeme an, die Transparenz schaffen und eine zielgerichtete Steuerung integrierter Abläufe im Unternehmen ermöglichen.

Während also PM-Software auf die Bewältigung einmaliger Herausforderungen abzielt, sorgen ERP-Systeme tendenziell mehr für die Überwachung und Steuerung von Routineprozessen unter Rücksicht auf alle betroffenen Unternehmensbereiche.

Obwohl einige ERP-Systeme einzelne Projektmanagement-Funktionen enthalten, stellt es sich meist als sinnvoller heraus, eine Schnittstelle zu einer professionellen Projektmanagement-Software herzustellen. Damit kann sichergestellt werden, dass relevante Daten zwischen den beiden Systemen automatisiert ausgetauscht werden. Besonders was klassische Produktionskennzahlen wie Budgets betrifft, stellt eine Schnittstelle zur Projektmanagement-Software einen klaren Mehrwert dar: Das Projektbudget wird auf der Ausgabenseite nicht nur mit den Kosten aus den Arbeitsstunden ermittelt, sondern auch mit den Daten aus dem Materialkostenbestand des ERP-Systems. Das Controlling profitiert von automatisch generierten Ausgaben/Einnahmen-Vergleichen, die zuverlässig in Echtzeit den Status-Quo der laufenden Projekte wiedergeben.

Worauf Sie bei der Implementierung achten sollten

Das Wichtigste bei der Auswahl einer ERP-Software ist, dass diese genau zu den Bedürfnissen Ihres Unternehmens passt. Es gibt auf dem Markt eine Vielzahl an Standardsoftwares, die bereits weite Teile der betrieblichen Grundanforderungen abdecken. Allerdings können Konfigurationen notwendig werden, um die Prozesse Ihres Unternehmens abzubilden. Dann muss das ERP-System über die Grundfunktionen hinaus anpassbar sein, um im unternehmerischen Alltag seiner Rolle als zentralem Steuerungstool gerecht zu werden.

Des Weiteren gibt es auch eine Reihe von Systemen, die auf eine Branche zugeschnitten sind. Dies hat zur Folge, dass Funktionen genauer auf die Bedürfnisse des Anwenders abgestimmt sind und somit eine höhere Produktivität mit sich bringen. Auch hier gilt es zu evaluieren, ob die Standardfunktionalität der branchenspezifischen ERP-Lösung für Ihr Unternehmen ausreicht.

Wenn dies nicht der Fall ist, so sind Sie mit einer Individualsoftware am besten beraten. Hier wird das System vom Anbieter direkt auf Ihre Bedürfnisse zugeschnitten. Dadurch sind jedoch die Kosten, die eine Einführung mit sich bringt, meist bedeutend höher.

Neben einer bestmöglichen Passung auf Ihr Unternehmen gibt es einige weitere Gesichtspunkte, auf welche Sie bei der Wahl eines ERP-Systems achten sollten:

  • Ein System, das mit Ihnen wächst: Gerade durch die zunehmende Digitalisierung und Vernetzung wird unsere Welt immer schnelllebiger. Unternehmen sehen sich somit immer häufiger mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Auch das Wachstum von Organisationen sorgt dafür, dass ERP-Lösungen flexibel sein und sich mit dem Unternehmen zielgerichtet verändern können müssen.
  • Cloudbasierte vs. lokalinstallierte Lösung: ERP-Systeme sind sowohl als Software-as-a-Service (SaaS), als auch als lokale Lösung mit Datenspeicherung auf hauseigenen Servern möglich. Von vielen Anbietern wird zunehmend zu einer Cloud-Lösung geraten, nicht zuletzt, um operative Ausgaben und Investitionskosten zu schmälern.
  • Einheitliche Nutzungserfahrung: Um für eine hohe Nutzerakzeptanz und eine einfache Bedienbarkeit zu sorgen, ist es wichtig, ein System mit einer einheitlichen Nutzeroberfläche über alle Anwendungen hinweg zu etablieren.
  • Hervorragender Support: Das ERP-System ist das Herzstück eines Unternehmens. Treten hier Probleme auf, kann dies fatale Folgen haben. Aus diesem Grund ist es essentiell, einen Anbieter zu wählen, der dem Nutzer mit seiner Expertise stets zur Verfügung steht.
  • Eine ganzheitliche Perspektive: Wählen Sie eine ERP-Lösung, die einen möglichst umfassenden Blick auf Ihr Unternehmen ermöglicht. Die Software sollte dazu in der Lage sein, alle relevanten Bereiche der Organisation zielführend miteinander zu verbinden. Bereiche, die nicht direkt durch das System abgebildet werden, sollten zumindest durch passende Schnittstellen verbunden werden können.

 

Letztendlich hilft ein ERP-System dabei, alle Prozesse eines Unternehmens effizient zu managen. Es kann somit einen enormen Mehrwert schaffen. Jedoch sollte darauf geachtet werden, die exakt für Sie passende Lösung zu implementieren, um das volle Potenzial auszuschöpfen.

Abonnieren Sie unseren Newsletter

Bitte geben Sie Ihren Namen ein.

Events