Öffentliche Verwaltungen haben oft den Ruf, veraltete, wenig anpassungsfähige und verfestigte Strukturen aufzuweisen. Aber auch in diesem Bereich findet zunehmend ein Umdenken statt, das ebenso das Projektmanagement beeinflusst.
Projekte der öffentlichen Verwaltung – Teil 3: Die Herausforderung der Fortschrittlichkeit
Timo Gerhardt, Dienstag, 12. September 2023 | Lesedauer: 7 min.Die Anpassungsfähigkeit öffentlicher Institutionen
In der Privatwirtschaft werden unternehmerische Prozesse so gestaltet, wie die Unternehmensführung sie für richtig hält. Es besteht also die Möglichkeit, sich an sich ständig wandelnde externe Bedingungen anzupassen, um somit wettbewerbsfähig zu bleiben. In Zeiten der Digitalisierung und einer extrem schnellen Informationsübertragung bedeutet dies, dass Entscheidungen schnell getroffen werden müssen, dass Organisationen von Flexibilität geprägt sein sollten und schließlich, dass lange Entscheidungswege und starre Strukturen den Unternehmenserfolg gefährden.
Diese organisatorische Freiheit besitzen öffentliche Einrichtungen jedoch nicht. Hier muss stets der offizielle und gesetzlich geregelte Dienstweg eingehalten werden. Dabei sind Verantwortungs- und Aufgabenbereiche immer klar abgegrenzt. Zudem sind auch Hierarchien stärker und eindeutiger ausgeprägt als bei vielen privatwirtschaftlichen Firmen. Durch diese Strukturen geht Flexibilität verloren. Scheinbar unbedeutende Entscheidungen erfordern eine Genehmigung auf mehreren Ebenen. Zwar behindern bürokratische Strukturen die Handlungsfähigkeit von Unternehmen, dennoch haben sie eine Daseinsberechtigung. Schließlich wird dadurch eine rationale Herrschaftsausübung sichergestellt. Neutralität, Gerechtigkeit und Kontinuität sind essentiell, da der einfache Bürger Stakeholder ist. Prozesse sowie Entscheidungen sind dank des geregelten Überbaus nachvollziehbar und klar begründbar – wenn auch häufig nur von Experten, wie beispielsweise einem Steuerberater.
Das Ziel in der öffentlichen Verwaltung sollte ein Mittelweg sein, der eine flexible und handlungsfähige Organisation mit den Vorzügen der Bürokratie verbindet.
Wie die öffentliche Verwaltung auf Vordermann gebracht werden soll
Dass Projekte im privatwirtschaftlichen Sektor in den meisten Fällen effizienter durchgeführt wurden als öffentliche Projekte, ging an politischen Entscheidungsträgern nicht spurlos vorbei. Um Mittel zielgerichteter einzusetzen und Projekte mit größerem Erfolg abschließen zu können, wird sukzessive die starre Organisation gelockert. Darüber hinaus hilft auch die staatliche Digitalisierungsoffensive dabei, Prozesse zu optimieren und das Projektmanagement zu erleichtern.
Agiles Management öffentlicher Projekte
Eine agile Führung in Projekten ist dazu in der Lage, Hierarchien zu überbrücken und Entscheidungswege zu verkürzen, was zu einer erhöhten Schnelligkeit und Flexibilität führt. Dieser Ansatz findet auch in der öffentlichen Verwaltung Anklang, einerseits aufgrund der genannten Vorteile und andererseits ist man beinahe dazu gezwungen. Schließlich ist die öffentliche Hand keine vollständig separierte Einheit unserer Volkswirtschaft, sondern interagiert mit verschiedenen Akteuren in einem übergeordneten System. So sind Projektteams der öffentlichen Verwaltung beispielsweise von privatwirtschaftlichen Lieferanten abhängig und beauftragen ebenso externe Dienstleister. Auch diese finden sich in einem zunehmend schnelllebigen Umfeld wieder und müssen sich diesen Umständen anpassen und agiler werden. In der Folge muss auf die öffentliche Verwaltung nachziehen, sodass eine effiziente Zusammenarbeit gewährleistet werden kann. Aber es existieren auch weitere Gründe für eine agile Zusammenarbeit:
- Steigende Komplexität: Diese ist unter anderem bei der Verkehrswende zu beobachten. Der Ausbau einer Infrastruktur für die E-Mobilität birgt eine Vielzahl von Herausforderungen.
- Plötzliche Herausforderungen wie der kurzfristige Bau von Asylunterkünften für Kriegsflüchtlinge der Ukraine
- Zunehmende Dynamik: Es entstehen immer mehr Einflussfaktoren, die Projekte immer schneller beeinflussen. Gerade das sich ändernde soziale Gefüge führt zu diversen und sich schnell wandelnden Bedürfnissen.
- Steigender Kostendruck: Insbesondere strukturschwache Regionen leiden unter einem Mangel an finanziellen Mitteln. Das Budget für etwaige Projekte ist entsprechend geringer.
- Erwünschte Mitentscheidung der Bürger: In Zeiten von wachsender politischer Unzufriedenheit fordern Bürger eine höhere Kontrolle und ein größeres Mitspracherecht bei Projekten. Die Berücksichtigung weiterer Stakeholder macht Projekte komplexer und agiles Handeln nötig.
Agile Methoden im Projektmanagement zeichnen sich dadurch aus, dass kontinuierlich auf Veränderungen reagiert wird bzw. Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine schnelle Reaktion ermöglichen. An oberster Stelle ist hier der Flexibilitäts- und Anpassungsgedanke. Die grundsätzliche Verwaltungsmodernisierung
Neben der Agilisierung der Verwaltung werden weitere Maßnahmen ergriffen, um die öffentliche Hand und schließlich ihre Prozesse moderner und zukunftsfähiger zu machen.
Der Kern der Modernisierung liegt dabei in der Digitalisierung. Dadurch wird ermöglicht, dass Arbeitsprozesse, die zuvor aufgebläht und zeitintensiv waren, nun automatisiert und schließlich optimiert werden können. Bei der Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen in der öffentlichen Verwaltung gibt es gewisse Dinge zu beachten.
- Zuerst muss die Maßnahme in die Organisationskultur passen. Denn nur wenn die Sinnhaftigkeit der Maßnahme ersichtlich ist und die Nutzung keinen Mehraufwand verursacht, sondern die Tätigkeit des Mitarbeitenden möglichst erleichtert, wird die Lösung angenommen und kann somit einen Nutzen stiften. Zudem muss auch der Mehrwert für den Kunden, also in diesem Fall den Bürger ersichtlich sein.
- Weiter muss das Ergebnis einer Digitalisierungsmaßnahme stets ein effizienterer Prozess sein. Schließlich werden noch oft Prozesse blind digitalisiert, ohne dass dabei ein tatsächlicher Mehrwert geschaffen wird.
- Zuletzt sollte die Digitalisierungsmaßnahme einen deutlichen Beitrag zum Fortschritt und zum positiven Wandel leisten. Eine langfristige Optimierung von Prozessen durch Digitalisierung steht im Mittelpunkt.
In dieser Angelegenheit muss man sich vor Augen halten, dass staatliche Institutionen eine besondere Rolle innehaben. In der Praxis steht man im Vergleich zu privaten Unternehmen vor größeren rechtlichen und datenschutztechnischen Hürden, nicht zuletzt durch das Online-Zugangsgesetz (OZG).
Ein Ausblick: Künstliche Intelligenz in der öffentlichen Verwaltung
Im Hinblick auf die Digitalisierung hängt die öffentliche Hand vielen privatwirtschaftlichen Akteuren teils deutlich hinterher. Hier besteht großer Aufholbedarf. Es existieren jedoch auch junge Technologien, bei denen die öffentliche Verwaltung sogar eine Vorreiterrolle einnehmen kann.
Künstliche Intelligenz verändert unsere Arbeitswelt seit spätestens letztem Jahr enorm und dies ist erst der Beginn einer längeren Entwicklung. Auch die öffentliche Verwaltung kann in vielerlei Hinsicht von KI profitieren und Effizienzsteigerungen bewirken. Beispielsweise existieren bereits die Modellprojekte Smart Cities. Hierbei wird unter anderem künstliche Intelligenz eingesetzt, um den Verkehr intelligent zu steuern und so eine höhere Zufriedenheit bei den Anwohnern und eine geringere Emissionsbelastung zu erzielen. Aber auch bei weniger komplexen und neuartigen Herausforderungen kann KI eine große Hilfe sein. So hat auch die öffentliche Verwaltung mit einer stetig wachsenden Menge an Daten zu kämpfen. Durch entsprechende KI-gestützte Anwendungen können diese Daten schnell und sinnvoll aufbereitet werden. Dadurch werden wertvolle Einsichten generiert, die für verschiedenste Projekte von großer Bedeutung sein können.
Hier endet jedoch nicht die Nützlichkeit von künstlicher Intelligenz. Die Einsatzmöglichkeiten in der Zukunft sind nahezu unbegrenzt. Für die öffentliche Hand gilt es, ein hohes Bewusstsein für derartige Technologien zu entwickeln. So findet diese sich möglicherweise in Zukunft in einer Vorreiterrolle wieder und legt ihren Ruf als rückständige und technologiefeindliche Institution ab.