Im dritten Beitrag dieser Serie, erfahren Sie alles was Sie zur projektbezogenen Risikoanalyse mit der FMEA-Methode (Failure Mode and Effects Analysis - dt. kurz Auswirkungsanalyse) wissen müssen.
Risikomanagement (3) – Die FMEA-Methode
Kathrin Jungwirth, Montag, 04. September 2017 | Lesedauer: 6 min.Risikoanalyse mit der FMEA-Methode
Die Abkürzung FMEA steht für Failure Mode and Effects Analysis bzw. auf Deutsch Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse oder kurz Auswirkungsanalyse. Die FMEA-Methode ist also viel mehr als nur eine Methode der Risikomanagements. Sie ist eine viel umfassendere Zuverlässigkeitstechnik und kommt u.a. in Design- und Entwicklungsphasen neuer Produkte zum Einsatz. Im Projektmanagement wird dieses Tool vor allem in der Qualitätssicherung und im Risikomanagement angewandt.
Eine herausragende Eigenschaft dieser Technik ist die Berücksichtigung der Entdeckungswahrscheinlichkeit in Ergänzung zur Eintrittswahrscheinlichkeit und der Bedeutung aus Kundensicht.
Die FMEA-Ziele
Primäres Ziel der FMEA ist das rechtzeitige Erkennen und Verhindern von potentiellen Fehlern bei Produkten oder Prozessen. Jedoch können mit Hilfe der FMEA-Methode weitere vielfältige Ziele realisiert bzw. verfolgt werden:
- Identifizierung von Prozessschwächen
- Steigerung der Zuverlässigkeit und Effektivität von Prozessen
- Identifizierung und Beurteilung von Risiken
- Optimierung der Termintreue
- Optimierung der Wirtschaftlichkeit
Diese Liste könnte noch weiter fortgeführt werden, da die FMEA-Methode für viele verschiedene Einsatzgebiete geeignet ist. Wir werden uns in diesem Beitrag ausschließlich auf den Einsatz dieser Technik im Risikomanagement von Projekten fokussieren.
Die verschiedenen FMEA-Arten
Grundsätzlich wird zwischen drei verschiedenen Arten der FMEA unterschieden.
- System-FMEA: Qualitative Bewertung von Produktentwürfen oder Produkten, bezogen auf die im Pflichtenheft festgelegten Anforderungen.
- Produkt-FMEA: Qualitative Bewertung einer Produktkonstruktion in Bezug auf feste Funktionen.
- Prozess-FMEA: Qualitative Bewertung eines Prozesses, z.B. des Produkterstellungsprozesses.
Die Anwendung der FMEA im Projektmanagement lässt sich am besten der Prozess-FMEA zuordnen, da wir bei der Risikoanalyse primär den Projektprozess betrachten.
Die Vorgehensweise
Die FMEA-Methode basiert primär auf vier wichtigen Parametern: Eintrittswahrscheinlichkeit (A), Bedeutung aus Kundensicht (B), Entdeckungswahrscheinlichkeit und Risiko-Prioritätskennzahl (RPZ).
Um eine Risiko-Analyse anhand der FMEA-Methode durchzuführen, orientieren Sie sich an der folgenden Vorgehensweise:
1. Strukturanalyse
Im ersten Schritt verschaffen Sie sich einen Überblick zu den einzelnen Prozessschritten des Projektes. Hierfür ist es am einfachsten einen Gantt-Plan zu nutzen, um wichtige Vorgänge, Aufgaben und Meilensteine zu identifizieren.
2. Auswahl der Analyse-Elemente
Anschließend legen Sie fest, welche Elemente des Projektes sie in die FMEA einbeziehen möchten. Sollen alle Elemente betrachtet werden oder lediglich eine bestimmte Auswahl (z.B. nur Meilensteine)? Wenn es sich um ein sehr umfangreiches Projekt handelt, kann es ggf. sinnvoll sein nur die für den Projekterfolg ausschlaggebenden Elemente zu behandeln. Die ausgewählten Elemente halten Sie in einer Übersicht fest.
3. Fehleranalyse
Im nächsten Schritt analysieren Sie die vorher ausgewählten Elemente auf potentielle Fehler. Diese tragen Sie in Ihrer FMEA-Übersicht bei den entsprechenden Projekt-Elementen ein.
4. Risikobewertung
Die Risikobewertung im Rahmen der FMEA erfolgt auf Basis von drei Kennzahlen. Diese Kennzahlen werden für alle potentiellen Fehler ermittelt. Dabei wird jede Kennzahl anhand einer 10-stufigen Skala mit den Punkten von 1 bis 10 bewertet. Anschließend werden die Kennzahlen je Fehler miteinander multipliziert, um die Risiko-Prioritätskennzahl (RPZ) zu ermitteln (möglicher Wertebereich hier: 1-1000).
B: Bedeutung des Fehlers aus Kundensicht
Die Kennzahl B stellt die Konsequenzen des Fehlers aus Kundensicht dar. Hierbei kann es sich um einen internen Kunden (z.B. Change-Prozesse) oder um einen externen Kunden (z.B. Softwareentwicklungsprojekt) handeln. Der höchste Wert von 10 wird vergeben, wenn z.B. der Abschluss des Projektes ernsthaft gefährdet ist oder Gesetze verletzt werden würden. Dahingegen steht der niedrigste Wert von 1 für einen Fehler, der kaum erkennbare Auswirkungen aus Kundensicht hätte.
A: Eintrittswahrscheinlichkeit des Fehlers
Mit der Eintrittswahrscheinlichkeit des Fehlers versuchen Sie einzuschätzen mit welcher Wahrscheinlichkeit der potentielle Fehler eintreten wird – unabhängig von möglichen Präventionsmaßnahmen. Hier steht der höchste Wert von 10 für einen sehr wahrscheinlichen Eintritt des Fehlers, während der niedrigste Wert von 1 den Eintritt als sehr unwahrscheinlich charakterisiert.
E: Entdeckungswahrscheinlichkeit
Die Entdeckungswahrscheinlichkeit stellt dar, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Fehlerursache erkannt werden wird. Eine 1 wird hier genutzt, wenn der Fehler mit großer Wahrscheinlichkeit während der Produktion (bei Produktentwicklungsprojekten) oder während des Projektablaufs aufgedeckt wird. Wohingegen die 10 genutzt wird, um anzugeben, dass der Fehler nicht erkannt wird, da der Bereich in dem der Fehler auftreten würde normalerweise nicht analysiert wird.
Im Folgenden finden Sie ein Beispiel für die Bewertung der potentiellen Fehler anhand der Kennzahlen:
5. Maßnahmen zur Optimierung
Nachdem Sie alle Fehler nach dem oben beschriebenem Schema bewertet haben, können Sie die Priorität der Fehler anhand der RPZ einschätzen. Je höher der Wert der RPZ, desto dringender sollten Sie hinsichtlich des jeweiligen Fehlers eingreifen und präventive Maßnahmen entwickeln.
Fazit
Die FMEA-Methode ist viel mehr als nur ein Verfahren zur Risikoanalyse. Jedoch liefert Sie vor allem im Risikomanagement einen hohen Mehrwert, da auf Basis der RPZ ein sehr strukturiertes Vorgehen möglich ist. Diese Methode eignet sich vor allem für Produktentwicklungs- bzw. Softwareentwicklungsprojekte.
Hier können Sie sich eine Vorlage für die FMEA-Analyse herunterladen: FMEA-Template
Lesen Sie auch die anderen Beiträge der Blogreihe zum Risikomanagement in Projekten
- Risikomanagement in Projekten (1): Einführung zu Risikomanagement im Projektmanagement
- Risikomanagement in Projekten (2): Risikoanalyse mit der GPM- bzw. IPMA-Methode
- Risikomanagement in Projekten (4): Der Risikokatalog