Wie Sie Ihre Work-in-Progress (WiP) richtig managen

Timo Gerhardt, Montag, 27. März 2023 | Lesedauer: 8 min.

Work-in-Progress bezeichnet im Projektmanagement alle Aufgaben, die bereits begonnen, aber noch nicht beendet wurden. Warum das Management der WiP so wichtig ist und wie es richtig funktioniert, erfahren Sie in diesem Beitrag.

Was Work-In-Progress im Projektmanagement bedeutet

Work-in-Progress, kurz WiP, ist ein Begriff, der ursprünglich aus dem Produktions-, bzw. dem Supply-Chain-Management stammt. Sinngemäß lässt sich dieser als „Umlaufbestand“ oder „Ware in Arbeit“ ins Deutsche übersetzen. Es handelt sich hierbei um Warenbestände, die sich im Produktionsbereich befinden, aber momentan nicht weiterverarbeitet werden. Diese Bestände sollten in der Produktion möglichst minimiert werden. Es handelt sich hierbei schließlich um gebundenes Kapital, welches zu diesem Zeitpunkt nicht genutzt werden kann und somit lediglich Kosten verursacht.

Mittlerweile ist diese Begrifflichkeit aus der Produktionsplanung auch im Projektmanagement angekommen. In diesem Kontext handelt es sich jedoch nicht um wartende Materialbestände, sondern um Aufgaben, die bereits begonnen, aber noch nicht beendet wurden. Immer häufiger ist hierbei auch die Rede von Work-in-Process. Dieser Begriff wird häufig als passender empfunden, da Process im Gegensatz zu Progress nicht impliziert, dass es zu einem Fortschritt kommt. Schließlich ist ein ständiger Fortschritt bei begonnenen Aufgaben in der Praxis häufig nicht sehr realitätsnah.  

Warum der Work-in-Progress eine so hohe Bedeutung in Projekten zukommt und wie Sie diese so gut wie möglich managen, zeigen wir Ihnen im Folgenden.

Inhalt

Work-in-Progress im Kanban

Die Begrenzung der zeitgleich ablaufenden Arbeitselemente ist ein Merkmal, das Kanban von anderen Projektmanagement-Methoden unterscheidet. Sie sorgt dafür, dass die Kanban-Methode mit einer hohen Effizienz brilliert. Denn auf diese Weise wird die Einhaltung eines optimalen Arbeitstempos ermöglicht und Kapazitätsüberschreitungen werden vermieden.

Die WiP-Begrenzung stellt konkreter eine Beschränkung der Anzahl der Arbeitselemente in den verschiedenen Workflow-Phasen dar. So erzielt man als Projektleiter einen klaren Fokus auf aktuelle Aufgaben, was wiederum dabei hilft, die einzelnen Aufgaben schneller fertigzustellen. Außerdem hilft es Ihnen dabei, Engpässe im Projekt zu identifizieren. Denn dadurch, dass unfertige Aufgaben in der Stückzahl limitierte Slots einnehmen, können nur begrenzt weitere Aufgaben auf dem Kanban-Board nachrücken. Entsprechende Blockaden im Projektfortschritt sind somit einfacher zu erkennen, wodurch schnell sinnvolle Maßnahmen getroffen werden können. Risiken, die aus unerkannten Bottlenecks resultieren, werden dadurch vermieden.

Auch die Auslastung eines Projektteams kann stark von einem gelungenen WiP-Management profitieren. Durch die Beschränkung der parallellaufenden Aufgaben wird ineffizientes Multitasking verhindert. Weiter sorgt eine klare Priorisierung weniger Aufgaben dazu, dass stets alle Beteiligten den Überblick behalten und kein Chaos entsteht. Obwohl die Zahl der aktiven Aufgaben limitiert ist, kommt es bei einer durchdachten Festlegung von Limits zu keinem Leerlauf bei den Mitarbeitenden, sofern sich im Backlog noch ein ausreichender Aufgabenvorrat befindet.

Wenn Ihr Team dazu angehalten ist, erst mit neuen Aufgaben zu beginnen, sobald die bestehenden abgeschlossen wurden, kommt dies einer Implementierung eines Pull-Prozesses gleich. Schließlich können neue Aufgaben nicht einfach in den Prozess geschoben werden. Erst wenn Aufgaben erledigt wurden und somit wieder Kapazitäten frei werden, lassen sich neue Aufgaben in den Prozess hineinziehen. Durch diese strukturierte Abarbeitung wird die Effizienz in Ihrem Projektteam deutlich erhöht.

Vorteile von Work in Progress

Das richtige Setzen von WiP-Limits

Das eine richtige WiP-Limit gibt es in der Praxis nicht. Wie ein passendes Limit aussehen kann, ist von vielen Faktoren abhängig. Schließlich ist jedes Projekt ein einzigartiges Konstrukt und verschiedene Projekte unterscheiden sich in vielerlei Gesichtspunkten voneinander. Die Größen von Projektteams unterscheiden sich, der zeitliche Horizont variiert und auch der Umfang an Aufgaben ist selten der gleiche.

Grundsätzlich sollten Sie sich für das Setzen von WiP-Limits dennoch an vergangenen Projekten orientieren. Wählen Sie Projekte mit vielen Parallelen zum jetzigen Projekt und analysieren Sie, wie viele Aufgabenelemente zeitgleich in einem Projektstatus durchschnittlich bearbeitet wurden. Diese Zahl gibt Ihnen eine erste Richtung vor. Zusätzlich sollten Sie versuchen, Unterschiede in den Projekten zu berücksichtigen und diese miteinzupreisen. Ist das Projektteam bei einem sonst sehr ähnlichen Projekt größer, sollten Sie beispielsweise Ihr WiP-Limit nach oben anpassen.

Ein wirklich passendes Limit vorab festzulegen, ist trotz der besagten Hinweise eine Herausforderung. Somit kommt es Projektleitern zugute, dass diese Beschränkungen in der Regel keine statische Größe darstellen sollten. Hinterfragen Sie kontinuierlich die bestehenden Limits und passen Sie diese bei Bedarf an. Nur so nähern Sie sich einer passenden Limitation für Ihr Team an, wodurch Sie die Produktivität dauerhaft hochhalten können.

Dürfen WiP-Limits überschritten werden?

WiP-Limits sind grundsätzlich flexibel und sollten fortlaufend Ihren Anforderungen entsprechend angepasst werden. Dies bedeutet aber keineswegs, dass WiP-Limits einfach nach oben gesetzt werden können, wenn das Kontingent bereits voll ausgelastet ist, aber ein Mitglied des Projektteams dennoch mit einer weiteren Aufgabe beginnen will. Anpassungen im WiP-Limit sollten immer begründbar und auf strukturelle Problematiken in der Projektumsetzung zurückzuführen sein. Andernfalls verlieren die Restriktionen ihren Zweck und Aufgaben werden weiterhin nach individuellem Ermessen umgesetzt.

Folglich sollten auch WiP-Limits grundsätzlich eingehalten werden. Lediglich in äußersten Ausnahmefällen sollte eine Überschreitung zur Diskussion stehen. Diese sollte aber stets in Absprache mit dem Team und dem zuständigen Projektleiter erfolgen. Denkbar wäre hier beispielsweise eine zuvor nicht absehbare Aufgabe, die von äußerster Dringlichkeit und kritisch für den Projekterfolg ist.

Die Folgen eines falschen Limits

WiP-Limits können sowohl zu hoch als auch zu niedrig angesetzt werden. Beide Szenarien führen zu vermeidbaren Ineffizienzen innerhalb Ihres Projektteams. Werden Limits zu extensiv gewählt, so geht der Fokus auf die einzelnen Aufgaben verloren. Mitarbeitende wechseln immer wieder zwischen Aufgaben, was letztendlich die Einhaltung von Deadlines gefährden kann. Werden sie zu niedrig angesetzt, kann es sein, dass es zu Wartezeiten kommt. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Abschluss einer Aufgabe von einer dritten Partei abhängig ist. Somit kommt es zu einer suboptimalen Auslastung des Projektteams. Ziel ist es letztendlich, die “goldene Mitte” zwischen den beiden ineffizienten Szenarien zu finden und einen kontinuierlichen Fluss zu erreichen.

Diese Ambiguität des WiP-Limits kann auch der Grund dafür sein, dass Anpassungen wirkungslos bleiben oder die Effizienz sogar weiter verschlechtern. Häufig versprechen sich Projektmanager eine höhere Effizienz von der Ausweitung des Limits. Falls jedoch ein zu hohes Limit der Grund für Ineffizienzen ist, verschärft sich somit diese Problematik. Dementsprechend sollte vor einer Anpassung des WiP-Limits stets Ursachenforschung betrieben werden, um herauszufinden, warum Ineffizienzen auftreten.

 

Abschließend sollte festgehalten werden, dass eine Begrenzung Ihrer Work-in-Progress nicht in jedem Projektkontext notwendig ist. Wenn innerhalb Ihres Projektteams generell ein großer Fokus auf die Fertigstellung von Aufgaben gelegt wird und sich dadurch eine hohe Effizienz beobachten lässt, so würde ein zusätzliches Limit die Projektumsetzung nur unnötig verkomplizieren. Dies ist aber bei weitem nicht immer der Fall, vor allem nicht in komplexen Projekten. Folglich kann eine Limitierung der WiP häufig zu Effizienzvorteilen führen.

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